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Rules of Design – Vol.3 – Weniger ist Mehr

Less is more

Bild zeigt die Typographie von Less is more
Designerregel Nummer 3: Less is more

Weniger ist Mehr

Nachdem wir nun in den ersten beiden Folgen der Designer-Regeln-Serie bereits über „Form follows function“ und das KISS-Prinzip gesprochen haben, kommt in der dritten Folge, als letzte der drei Grundprinzipien für Designer ,die Aussage „Less is more“ (Weniger ist mehr) zu Ehren.

Ein kurzer Blick zurück

Auch wenn man dieses "Weniger ist mehr" für eine eher allgemeine Aussage halten mag, es gibt auch dazu erst mal einen kurzen historischen Abriss:

Ein Schöpfer dieses „Zitates“, so man es als solches überhaupt bezeichnen kann, ist tatsächlich nicht unmittelbar auszumachen. Allerdings schreibt der deutsche Dichter Christoph Martin Wieland in seinem Gedicht Neujahrswunsch* aus 1744 folgende Zeilen zum Schluss:

 

Ein guter Weg ist einen Umweg werth,

Und minder ist oft mehr, wie Lessings Prinz uns lehrt.

 

Weswegen er oft gerne als Urheber dieser Aussage geltend gemacht wird. Die englische Formulierung „Less is more“ taucht verbrieft erstmals im Gedicht „Andrea del Sarto“ des englischen Dramatikers Robert Browning* von 1855 auf.

Wirklich populär wurde die Aussage dann Anfang des 20. Jahrhunderts. Vor allem der deutsch-amerikanische Architekt Ludwig Mies van der Rohe*, eine der führenden Persönlichkeiten der sogenannten Minimalisten, trug zur Verbreitung dieses geflügelten Wortes in der Designer-Landschaft bei. Und spätestens seit dieser Zeit gilt „Weniger ist mehr“ auch als einer der Grundpfeiler guten Designs.

Entscheidend ist der Kontext

Aber wie so oft, muss man pauschale Aussagen wie eben "Less is more" erst in einen Kontext setzen, damit sie Sinn ergeben, speziell wenn wir über Design sprechen. Dabei darf außerdem nicht vergessen werden, dass speziell diese Aussage im Design sich nicht nur auf die gestalterische Ebene beziehen kann, sondern in einer zweiten auch den Faktor Zeit miteinbezieht!

 

Nun aber erst mal der Reihe nach: Wie schon im KISS-Prinzip beschrieben, lebt gutes Design von der Einfachheit der Dinge. Aber selbstverständlich soll und darf das nicht dahingehend interpretiert werden, dass alles auf ein mindestmögliches Maß minimalisiert werden soll, sondern, dass es Anwendern von Design einfach möglich sein muss, die Funktion des designten Produktes – ob digital, gedruckt oder physisch – zu erkennen. Sie sehen schon, wir sprechen da wieder Themen an, die wir bereits zweimal abgehandelt haben – was schlicht daran liegt, dass diese Regeln ein gemeinsames „Triumvirat“ des Designs bilden, und ineinandergreifen. Und dass zwar jede Regel für sich alleine stehen kann, sie sich aber auch teilweise inhaltlich überschneiden.

Der kleine Prinz und Design

Wie man die Aussage des „Weniger ist mehr“ auf die reale Designerarbeit übertragen kann, hat uns Antoine de Saint-Exupéry – Autor von „Der kleine Prinz“ – in einem seiner berühmtesten Zitate erklärt:

 

„Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern nichts mehr weglassen kann.“**

 

Es bedeutet also in der Praxis, dass man seine Arbeit immer vom Gesichtspunkt aus betrachten sollte, ob es noch möglich ist, sie noch einfacher und reduzierter zu gestalten. Wer zum Beispiel eine Bedienungsanleitung für ein technisches Gerät texten muss, sollte auf reduzierte, einfach verständliche, aber sachlich richtige Textbausteine achten, und nicht einen Roman mit unverständlichen Schachtelsätzen produzieren.

Dabei liegt der Fokus ganz klar auf den Merkmalen „verständlich“ und „sachlich richtig“!

Das heißt aber natürlich nicht, dass man nur der Einfachheit halber z. B. einen wichtigen Fakt zur Inbetriebnahme des Gerätes weglassen darf.

„Weniger ist mehr“ bedeutet also auch immer: „So einfach wie möglich, aber so komplex wie nötig!"

Der Faktor Zeit im Design

Und dann kommt wie schon angekündigt auch noch eine zeitliche Komponente ins Spiel, die speziell auf diese Aussage zutrifft.

Dabei geht es schlicht darum, dass Weniger – also die Reduktion auf das Wesentliche – nur durch ein Mehr an Zeitaufwand ermöglicht werden kann.

 

Um beim Textbeispiel zu bleiben: Ein Erstentwurf muss immer noch einmal redigiert werden, um als besserer Text zu bestehen. Und je mehr ich diesen Text trotz sachlicher Richtigkeit und gleichbleibenden Inhalt verkürzen möchte, desto öfter muss dieser Vorgang wiederholt werden. Bis der Endzweck – maximale Reduktion bei gleichbleibender Verständlichkeit – erreicht ist. Und eben das kostet Zeit. Und diese muss einkalkuliert werden. Und zwar sowohl zeitlich als auch monetär im veranschlagten Budget. Gerade hier werden sehr oft von unerfahrenen Designern Fehler gemacht, mit unangenehmen Folgen für Designer UND Kunden. Denn entweder bekommt der Kunde nicht die bestmögliche Lösung („… wir haben nur zwei Korrekturschleifen vereinbart …“), und muss zusätzlich Geld in die Hand nehmen („… und jede weitere Anpassung koste € XXX,– …“). Oder – und das ist erfahrungsgemäß die verbreitetere Lösung – der Designer muss auf seine Kosten nachbessern und reduziert dadurch sein Honorar.

Und deshalb ist dieser Punkt auch tatsächlich einer der wenigen, bei dem die Regel „Mehr ist mehr“ greift: Nämlich mehr Aufklärung im Vorfeld bringt mehr Ertrag für Kunden und Agentur! Aber dieses Thema beleuchten wir dann in unserem nächsten Blog genauer ;-)

Im vierten Teil der Serie geht es dann ums richtige Briefingfalls Sie regelmäßig darüber informiert werden wollen, wenn wir mal wieder was zu sagen haben, melden Sie sich doch einfach für unseren Newsletter an. Und ganz ehrlich – Sie bekommen höchstens ein mal im Monat ein Mail von uns!


Über den Autor:

Sascha Ladurner ist bekennender Grafik-Nerd. Er ist außerdem selbsternannter Fußballprofessor.

Beruflich beschäftigt er sich mit Werbung und Design und berät Unternehmen über die vielfältigen Möglichkeiten des Werbeuniversums.

Er klettert leidenschaftlich gerne, hört Iggy Pop und leidet mit Wacker Innsbruck.

Kontakt: office@quickdraw.at

*Weiterführende Quellen:

Neujahrswunsch. in: Der Teutsche Merkur vom Jahr 1774. Fünfter Band. Hoffmanns Verlag, Weimar 1774

Robert Browning: https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Browning

Ludwig Mies van der Rohe: https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Mies_van_der_Rohe

**Das Zitat erschien im Buch "Wind, Sand und Sterne von 1939 – Original. franz.: "Il semble que la perfection soit atteinte non quand il n'y a plus rien à ajouter, mais quand il n'y a plus rien à retrancher." - Terre des Hommes, III: L'Avion, p. 60 (1939)